Kuriose Geschichten aus einer anderen Zeit

Datum: 01.12.2023

Peter Schell begründet vor 100 Jahren den Reilinger Handball

Der mit einem traditionellen „Heckerhut” ausstaffierte Enkel des damaligen TBG­ Vorsitzenden Peter Schell feierte 2020 sein 40-jähriges Gemeinderats-Jubiläum

Wer hat´s erfunden? Bei allem, was Menschen gemacht oder erfunden haben, wird um Urheberrechte gestritten. Wenig verwunderlich ist es daher, dass verschiedene Nationen die Urheberschaft des Handballs für sich beanspruchen. Hierzulande entwickelte sich das eigentliche Handballspiel aus verschiedenen Vorläufern wohl Anfang des 19. Jahrhunderts. Unstrittig ist dagegen das Gründungsjahr der Reilinger Handballabteilung beim Turnerbund Germania 1890 e.V.. Man schrieb das Jahr 1923, als der damals 38jährige TBG-Vorsitzende Peter Schell, ein Großvater des gleichnamigen, heutigen Gemeinderates Peter Schell, den Weg für die Bildung einer eigenen Handballabteilung ebnete.

Über die Person des Gründervaters Peter Schell ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. 1885 wurde Schell in Reilingen geboren. Bereits 1951 verstarb er allzu früh im Alter von nur 66 Jahren. Verheiratet war Schell mit Franziska Schell geborene Wirth, die ihm vier Kinder schenkte: Wilhelm, Ernst, Anna und Karl, der Vater von Gemeinderat Peter Schell. Alle vier Kinder sind nicht mehr unter uns. Ihren Wohnsitz hatte die Familie in der Hauptstraße, vis a vis der heutigen Tankstelle. Schell engagierte sich augenscheinlich nicht allein im Turnerbund, sondern war auch Tambourmajor beim Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr, was historische Fotoaufnahmen belegen.

Eine der wenigen historischen Fotoauf­nahmen von Peter Schell, dem Gründer der Handballabteilung des Turnerbundes

Pragmatisches Vorgehen mit viel Eigenleistung

Aus seinen Kindheitserinnerungen weiß der auf den Herrenbuckel ausgesiedelte Landwirt und Gemeinderat Peter Schell noch einige Anekdoten aus früherer Zeit zu erzählen. Zu Lebzeiten seines Großvaters wären die Handballspiele auf dem Sportplatz am südlichen Ortsrand ausgetragen worden. Der Platz sei nicht mehr als ein wild gewachsener Grasacker gewesen. Er erinnere sich noch genau daran, als er mit 16 Jahren seine Erlaubnis zum Fahren eines Bulldogs erhalten und von seinem Großvater den Auftrag zur Platzpflege erhalten habe. „Hör mal, am Samstag kommt Friedrichsfeld. Sorg dafür, dass das Gras gemäht wird“, hielt er ihn an. So habe er eben mit seinem Traktor ein bis zwei Stunden seine Runden auf dem holprigen Platz gedreht und das bis zu 30 Zentimeter hoch gewachsene Gras eingekürzt.

Rund um die Spielfläche waren drei Rundbahnen mit einer Länge von 333 Metern angeordnet. „Die Laufstrecke verfügte damals über keinen besonderen Sportbodenbelag, Asche oder etwa Kunststoff. Als Untergrund diente ganz normale Erde, die stellenweise von Unkraut überwuchert wurde“, entsinnt sich Peter Schell. Wenn die alljährlichen Jugendspiele der Schule anstanden, habe der damalige Schullehrer Anton Germer seine Schüler dazu angehalten, die Rundbahn von störendem Bewuchs zu befreien. „Alles, was eine Hacke hat, kommt zum Sportplatz“, war seine klare Anweisung. Und so habe sich ein gutes Dutzend Schüler daran gemacht, in schweißtreibender Arbeit rund zwei Stunden lang die Rundbahnen in einen ordentlichen Zustand zu versetzen. Eine zu dieser Zeit selbstverständlich erscheinende Handlungsweise, wie sie heutzutage nicht mehr denkbar wäre.

Überhaupt hätten sich die Akteure zu dieser Zeit mit reichlich pragmatischem Vorgehen beholfen und das fehlende Geld durch viel Eigenleistung ersetzt, führt er weiter aus. Dank der Kontakte zu Revierförster Ernst Schell, einem Onkel von Peter Schell sei es den Handballern beispielsweise damals gelungen, aus Holzstangen aus dem Wald in Eigenleistung ein Schutzgeländer für die Zuschauer der Handballspiele zu zimmern.

Wie schon sein Großvater, habe auch sein Vater Karl Schell gerne zusammen mit Günther Krämer Handball gespielt, entsinnt sich Peter Schell. Eine ernsthafte Kriegsverletzung habe aber der Spielfreude ein jähes Ende bereitet. Kurz vor Weihnachten 1944 sei die Familie über die in Frankreich erlittene Verwundung des Vaters informiert worden. Erst nach Kriegsende kehrte der an Hand amputierte Karl Schell in seine Heimatgemeinde zurück. (jd)

Die Turnerinnen der 1922 gegründeten Damenturnriege im Jahr 1925 mit dem damaligen TBG-Vorsitzenden Peter Schell (/i.) und Vorstandsmitglied Georg Michael Sturm (re)